Auf den Fotografien, die von ihm durchs Netz kursieren, wirkt er immer etwas abgeklärt. Vielleicht liegt es daran, dass Wassily Kandinsky zunächst Wissenschaftler war. Nachdem er in seiner Geburtsstadt Moskau Recht, Ökonomie und Ethnologie studierte entschied er sich erst mit 30 Jahren für die Malerei, ging nach München und Murnau und wurde zu einem Pionier der Abstraktion. Er beteiligte sich an der Gründung der Künstlergruppen Phalanx und Der Blaue Reiter und verfasste die Schrift Über das Geistige in der Kunst.
Hier zeigte sich, dass Kandinsky die Dinge mit dem Verstand begreifen wollte. Er schreibt, dass die wahre Kunst ein wesentlicher Teil eines geistigen, auf Erkenntnis gerichteten Lebens sei. Daraus entwickelte er einen ungegenständlichen Malstil, bei dem allein den Farben und Formen Bedeutung zukam.
Nach der deutschen Kriegserklärung gegen Russland musste Kandinsky 1914 nach Moskau zurückkehren, wo er verschiedene Professuren erhielt und eine Akademie der Kunstwissenschaften gründete.
Doch die Einschränkungen der Kunstfreiheit in Sowjetrussland veranlassten Wassily Kandinsky und seine Frau Nina nach dem Krieg erneut nach Deutschland zu gehen. Er wurde 1922 von Walter Gropius als Lehrer ans erste Bauhaus in Weimar berufen und folgte Gropius wenig später ans neue Bauhaus in Dessau. Kandinsky wurde Werkstattmeister, unterrichtete im Vorkurs und übernahm den Unterrichtsbereich Freie Malerei. Die Kandinskys lebten in Dessau gemeinsam mit Familie Klee in einem von Gropius entworfenen Meisterhaus.
Nina Kandinsky schrieb später in ihren Erinnerungen: Kandinsky hatte in Dessau eine ungeheuer schöpferische Phase, vielleicht sogar die produktivste seines ganzen Lebens.
Auf den historischen Fotografien sehen wir das Atelier von Kandinsky am Bauhaus. Hier sind wahrscheinlich Arbeiten seiner Schüler*innen zu sehen, die für eine Ausstellung präsentiert wurden. Es könnten Arbeiten aus seinem Unterricht Abstrakte Formelemente und Analytisches Zeichnen sein.
Als Bauhausbuch Nummer 9 erscheint Kandinskys Schrift Punkt und Linie zu Fläche, in der er die Anwendungen analytischer Methoden im künstlerischen Schaffen beschreibt und bildnerische Mittel ein- und zuordnet.
Kandinsky untersucht die Wirkung von Punkten, Linien und Flächen, von Farben und deren Beziehung zueinander. In seiner Theorie kommt er damit einer konkreten Kunst näher als in seinen Bildnissen, die abstrakt bleiben.
Als Walter Gropius 1928 das Bauhaus verlässt und Hannes Meyer die Direktion übernimmt, bleibt Kandinsky. Er bleibt auch 1928 nach der Auflösung des Bauhauses in Dessau und geht mit dem dritten Direktor Ludwig Mies van der Rohe nach Berlin, um weiter am dritten Bauhaus zu unterrichten. Kandinsky wurde damit nach Lyonel Feininger der am längsten lehrende Meister des Bauhauses. Als schon nach kurzer Zeit die Schule in Berlin durch die Nationalsozialisten aufgelöst wurde, emigrierte Kandinsky erneut aus Deutschland. Er ging aber nicht zurück nach Moskau, sondern ließ sich in Paris nieder.
Nina und Wassily Kandinsky lebten in Neuilly-sur-Seine bei Paris. Dort soll es nicht einfach für den Künstler gewesen sein, da kubistische und surrealistische Kunst gefragt waren. Für die abstrakte Malerei gab es nur eine Nische.
Wassily Kandinsky starb 1944 kurz vor seinem 78. Geburtstag. Nina Kandinsky lebte 36 weitere Jahre und verwaltete den Nachlass. Sie übergab viele Gemälde an Museen, darunter 30 Gemälde und Aquarelle an das Pariser Centre Pompidou. Alle in diesem Beitrag gezeigten Arbeiten stammen aus dieser Sammlung.