Palermo: il secondo

Oktober 2021

Im zweiten Teil sehen wir, dass die Stadt nicht nur schön ist, sondern auch Probleme hat. Und es gibt offensichtliche, die uns als Besucher auffallen.

Der Müll ist sicher ein Problem. Überall gibt es Haufen von Sperrmüll, die aber nicht abgeholt werden – zumindest nicht regelmäßig – und zunehmend verrotten. Auch der Hausmüll türmt sich an dafür vorgesehenen Orten und zudem an vielen Straßenecken. Auch uns ist nicht deutlich, wo wir den Müll lassen sollen und wir suchen mit unserem täglichen Beutelchen eine Ecke, an der sich schon andere Müllbeutel befinden. Eines Morgens sehen wir, wie eine ältere Bewohnerin aus ihrer Haustür tritt – mit einem Müllbeutel in der Hand. Sie blickt intensiv nach links um den Beutel dann möglichst schwungvoll nach rechts zu werfen, damit er weit von ihr entfernt landet. Bei dieser Art der Entsorgung ist Mülltrennung leider kein Thema.

Ein weiteres deutliches Problem ist der Verkehr. Und Verkehr meint hier Autos. Nicht nur in der Altstadt sind die Gassen zu eng, um neben den geparkten Autos auch noch zu fahren. Um die Altstadt herum sehen wir immer wieder lange Staus. Nur die Motorroller und Vespas schaffen es einigermaßen, sich einen Weg zu bahnen. Die Autos warten, um im Schneckentempo voran zu kommen und suchen dabei jede Gelegenheit, in eine sich auftuende Lücke zu flutschen. Die zu selten fahrenden Busse stehen dabei gemeinsam im Stau. Als Fußgänger*in muss man selbstbewusst verdeutlichen, dass man den Zebrastreifen nutzen möchte, um die Straße zu überqueren. Oder Wege um zugeparkte Gehwege suchen. Das Fahrrad scheint für die Sizilianer*innen keine Alternative.

Die Altstadt war über Jahrzehnte verfallen und irgendwann lebten nur noch Menschen in den halb zerstörten Häusern, die sich keine andere Wohnung leisten konnten. Dieser Entwicklung wird seid Jahren entgegen gesteuert und es ist inzwischen viel renoviert. Dennoch sehen wir immer wieder Häuser, die in einem sehr schlechten Zustand sind oder Baulücken, in denen die Häuser abgerissen wurden. Die Renovierungen sind oft aufwendig und befördern damit sicher eine Gentrifizierung. Als wir allerdings die Auslagen von Immobiliengeschäften sehen, stellen wir fest, dass die Wohnungen zu einem recht moderaten Preis angeboten werden – zumindest gemessen an dem, was bei uns so gefordert wird.

Einer, der sich die Rettung Palermos zur Lebensaufgabe gemacht hat, ist der Bürgermeister Leoluca Orlando. Er ist mit Unterbrechungen – in denen er u.a. als Präsidentschaftskandidat gegen Berlusconi antrat – seit 1985 im Amt und hat bis heute seinen Sitz im Rathaus – dem Palazzo di Città. Als wir den Palazzo besichtigten, sehen wir seinen Schreibtisch und die an die Decke gemalte italienische Marianne – oder Arianna. Orlando hat sich dem intensiven Kampf gegen die Mafia verschrieben und muss daher mit permanentem Personenschutz leben.

Der Kampf gegen die Mafia zeigt überall Spuren. Im Hafen von Palermo präsentiert eine Hauswand die Portraits der wohl bekanntesten Mafiaopfer Giovanni Falcone und Paolo Borsellino. Vor der Kathedrale sehen wir eine Mahnwache unter dem Titel: Die Klasse der leeren Bänke – die Mafia tötet auch Kinder. In der Vittorio Emanuele hat die Organisation No Mafia ihren Sitz. Das Dokumentations- und Erinnerungszentrum zeigt Ausstellungen und betreibt Aufklärungsarbeit. Palermo, so erfahren wir, ist von einer extrem gefährlichen Stadt zu einer der sichersten Italiens geworden.

Eine andere große Aufgabe ist der Umgang mit Geflüchteten. Viele sind über das Mittelmeer nach Sizilien gekommen und Palermo bemüht sich um Integration. Ein Projekt ist das Moltivolti: ein Restaurant, Treffpunkt und Coworking-Space. In der Nachbarschaft des Marktes Ballarò, wo mehr als 25 Sprachen gesprochen werden, versteht sich das Moltivolti als Labor einer zukünftigen Gesellschaft.

Daneben gibt es privates Engagement. Das Sammlerpaar Francesca und Massimo Valsecchi hat den monumentalen Palazzo Butera gekauft und aufwendig renovieren lassen. Im Untergeschoss zeigen sie wechselnde Ausstellungen zeitgenössischer Kunst. Die historischen Etagen wurden mit antiken Möbeln ausgestattet und es werden immer wieder Künstler*innen eingeladen, um mit ihren Arbeiten in Korrespondenz mit dem historischen Ambiente zu treten. In den oberen Räumen des Palastes wurde ein Teil der abgefallenen Deckenbemalung nicht rekonstruiert, sondern das Holzgestell sichtbar gelassen, auf dem das Deckengewölbe befestigt ist. 

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