Izmir, Türkei

März 2024
Beim Blick vom Mittelmeer auf die Stadt könnte man den Eindruck gewinnen, die Metropolle sei von Hochhäusern bestimmt. Doch in den Straßen sind die Türme nicht mehr dominant. Heute leben über vier Millionen Menschen in der drittgrößten Stadt der Türkei. Dabei gründet sie mit Besiedlungen im 3. Jahrtausend v. Chr. auf eine der ältesten Siedlungen des Mittelmeerraumes. Unter dem Namen Smyrna gehörte die Stadt zum Byzantinischen- und Osmanischen Reich, wurde von Griechenland und türkischen Truppen erobert und 1922 der Türkei zugesprochen.
 
In den Fußgängerzonen des zentralen Stadtteils Konak ist immer etwas los. Die Menschen strömen hin und her und werden umflattert von Fähnchen der hiesigen Regierungspartei CHP. Am kommenden Sonntag sind Kommunalwahlen. Die Restaurants sind hier eher Imbisse mit Döner, Rollos und Burgern. Auffällig sind die gar nicht traditionell gekleideten Frauen. Wir sehen nur selten Kopftücher und Izmir wird seinem Ruf als liberalste Stadt der Türkei gerecht. 
 
Nachdem Izmir 1922 am Ende des griechisch-türkischen Krieges einem großen Feuer zum Opfer viel, ist die alte Bausubstanz größtenteils vernichtet worden und die Stadt wurde neu aufgebaut. Die damals entstandene Architektur erinnert an die Bebauung von Tel Aviv, der anderen Stadt am Mittelmeer, die in den 1920er Jahren erbaut wurde. Die wenigen verbliebenen alten Gebäude zeigen die traditionelle Bebauung der Stadt mit zweigeschossigen Reihenhäusern mit einem Holz-Erker in der oberen Etage. Heute sind die alten Häuser oft verlassen oder es befinden sich Bars und Clubs in ihnen. Einige der wenigen größeren alten Gebäude wurden aufwendig renoviert und zeigen innen imposante Hallen.
 
Überall treffen wir auf Märkte. Manchmal mit nur einigen Ständen, dann in einem verwirrenden Gassenlabyrinth. Es gibt spezielle Buchmärkte, Fisch- und Gemüsemärkte – unter freiem Himmel, abgehängten Tüchern oder alten Gewölben. Immer mal wieder liegen Hunde auf der Straße. Sie schlafen auf dem Gehweg und kümmern sich nicht um das vorbeiziehende Leben. 
 
Im Stadtteil Bayraklı wächst die zeitgeistige Architektur in die Höhe. Was von der Ferne sehr modern und imposant aussieht, ist von der Nähe nur noch halb so schick. Einige der modernen Gebäude sind schon wieder verlassen und gestaltete Außenbereiche gehen in die Brüche. Zwischen den Glaspalästen lebt weiterhin das alte Stadtviertel. Die Bevölkerung ist hier konservativer, die Frauen tragen Kopftüchern, die Männer drehen Gebetsketten in den Händen. Die Häuser sind nicht gut in Schuss und sie werden wohl dem weiteren Ausbau mit Bürotürmen zum Opfer fallen. Doch die engen Gassen sind eigentlich romantisch und könnten auch aufgewertet werden. Am Abend werden die Wolkenkratzer illuminiert.
 
Es gibt auch eine nette Café- und Restaurant-Kultur. Meist etwas abseits der Haupt-Flaniermeilen gelegen kann man hier gemütlich verweilen und das Leben an sich vorüber ziehen lassen.
 
Und es gibt antike Stätten in der Stadt. Die Agora entstand während der griechisch-byzantinischen Zeit im 2. Jhd. n. Chr. und wurde erstmals in den 1930er Jahren wieder entdeckt und dreißig Jahre später freigelegt. Der alte Versammlungs- und Marktplatz von İzmir ist der Größte und am Besten erhaltende unter den antiken Agoren. Das etwas oberhalb gelegene antike Theater haben wir zufällig entdeckt. Es ist nirgends verzeichnet und kaum zugänglich. Von hier haben wir einen weiten Blick über die Stadt.
 

Überall treffen wir auf Bilder und Huldigungen von Kemal Atatürk. Die von ihm begründete türkische Republik feierte zudem im letzten Jahr ihr 100jähriges Bestehen. Auf öffentlichen Plätzen gibt es Bilder und Statuen von ihm und im Atatürk Museum sind neben Bildern und Geschichten aus seinem Leben und seiner Regierungszeit Räume zu sehen, in denen er eine Zeit lang lebte. Auch in vielen Restaurants hängen Fotos von Atatürk. Atatürks Ideale, der Kemalismus mit klarer Trennung von Staat und Kirche und der permanenten Fortführung von Reformen, stehen im Gegensatz zur heutigen Regierung von Erdogan. In Izmir konnte Erdogans AKP noch nie gewinnen und die Menschen stehen hier weiter zu den Idealen Kemal Atatürks.

Es ist Ramadan und am Abend sehen wir in einem dörflich geprägtem Stadtteil lange Tischreihen, an denen sich die Menschen nach Sonnenuntergang zum gemeinsamen Essen treffen, dem traditionellen Fastenbrechen. Über dem Atatürk Konak Platz zeigt sich der fast runde Vollmond und die letzten Strahlen der Sonne beleuchten den historischen Uhrenturm. Wir gehen an der Uferpromenade zurück zu unserem Apartment und sehen, wie bei Izmir die rote Sonne im Meer versinkt. Auch lange nach Sonnenuntergang geht das Leben auf den Straßen weiter.
 

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