Kassel: documenta fifteen

Juli 2022

Die documenta fifteen startete am 18. Juni und dauert, wie alle fünf Jahre, 100 Tage – im Jahr 2022 also bis zum 25. September. In den Medien wurde viel über zwei antisemitistische Darstellungen berichtet. Doch es lohnt sich, darüber hinaus zu gucken.

Im Ruru-Haus, einem zuvor leerstehenden Kaufhaus in der Stadtmitte, wurde ein Welcome-Center eingerichtet: mit Infos und Tickest, einem Café, Buchläden und Veranstaltungen. Wir lernen eine Künstler*innengruppe aus Holland kennen, die zu Fuß nach Kassel gekommen ist und ihren Weg hier anhand von Fotos und Materialien dokumentiert. Gegenüber geht es zum zentralen Friedrichsplatz und einem der großen Ausstellungshäuser, dem Fridericianum. Auf dem Friedrichsplatz gibt es nur noch wenig zu sehen, nachdem die Gruppe Tarding Padi das kritisierte Banner nebst Pappfiguren entfernte.

Im Fridericianum geht es viel um Theorie und Verknüpfungen von Kunst, Politik und Gesellschaft. Es ist kaum möglich, sich die ganzen Texte und Diagramme anzueignen. Hier wäre es sicher gut, am Ende nochmals einen Reader zu bekommen, in dem die ganzen Erarbeitungen zusammengefasst sind. Wie sagte schon Karl Valentin: Kunst ist schön, macht aber auch viel Arbeit. Nun, das Betrachten auch…

Doch, es gibt auch gemalte Bilder auf der documenta fifteen – wenn es auch kein Schwerpunkt ist. Links ein Bild der Gruppe Colophon aus der Ausstellung Black Pasts & Presents im Fridericianum. Im Eingangsbereich der Dokumenta-Halle hat die Gruppe Wajukuu Art Projekt eine Installation eingerichtet, bei der sie u.a. Bilder von Shabu Mwangi zeigt. Eindrücklich ist eine Reihe von Bildern von Richard Bell. Er thematisiert darin „den indigenen Kampf gegen den australischen Siedlerkolonialismus“, wie es im Katalog dazu heißt. Die Kakteenblüte von Mohammed Abusal ist Teil der Präsentation der Künstler*innengruppe Eltiga aus Gaza City im WH22. Bei dieser Ausstellung geht es auch um Fragen des spekulativen Kunstmarktes und die Arbeiten können daher direkt von den Künstler*innen gekauft werden statt wie sonst üblich über den Kunsthandel.

An einigen Orten vermittelt diese Documenta den Eindruck eines großen Mitmachmuseums. In der Documenta-Halle ist eine Halfpipe aufgebaut, in der sich manchmal junge Menschen trauen, das Skateboard zu ergreifen um sich vor den Augen der Besucher*innen zu versuchen. Im Museum Grimmwelt hat der indonesische Geschichtenerzähler Agus Nur Amal Pmtoh eine Installation aufgebaut in der er Arbeiten zeigt, die er in Erzählworkshops mit Schüler*innen aus Kassel erarbeitet hat. Im Fridericianum arbeitet eine junge Frau an der Nähmaschine in der Installation des indonesischen Kollektivs Gudskul. Sie begreifen „das Lernen als Soziale Plastik“.

Und es werden Geschichten erzählt. Die polnisch-romani Künstlerin Malgorzata Mirga-Tas „dekolonisiert in Textilcollagen historische Darstellungen des Volkes der Roma“. Das indonesische Künstler*innenkollektiv Taring Padi zeigt im Hallenbad Ost über 100 Banner, Pappfiguren und Plakate. Es geht der Gruppe immer um Zusammenarbeit und politisches Bewusstsein nach ihren drei Hauptgrundsätzen: organisieren, bilden und agitieren. Die in Berlin gegründete Gruppe Fehras Publishing Practices präsentiert in der Hafenstraße 76 eine große Installation aus Wänden, die einen Fotoroman zeigen. Inhaltlich beschäftigt sich die Gruppe mit der afro-asiatischen Solidaritätsbewegung. In der Form lösen sie Geschlechterrollen auf und schlagen Wege vor, um „aus dem Labyrinth der Geschichte herauszukommen und eine neue Art nicht-binärer Bürgerschaft zu entwickeln“.

Im Kellergewölbe des WH22 hat das indische Kollektiv Party Office einen trans*- und BIPoC-freundlichen Partyraum gestaltet, um zum „Nichtstun in guter Gesellschaft“ einzuladen. Ein weiterer Ort ist die Kirche St. Kunigundis, in der das aus Haiti stammende Kollektiv Artis Rezistans eine Installation eingerichtet hat, die von haitianischer Alltagskultur, historischen Perspektiven und der Voodoo-Religion beeinflusst ist. In dem großen Areal der Hübner Werke gibt es etliche weitere Installationen, darunter die Jatiwangi Art Factory, die daran arbeitet, „die Widerstandskraft ausgebeuteter indonesischer Dörfer wiederherzustellen“.

Leider gibt es bei dieser Documenta nur wenige Arbeiten im Außenraum. Eine ist die Installation der Gruppe The Nest Collective auf der Karlswiese. Die Gruppe erkundet „die Zusammenhänge zwischen Urbanität und Schwarzem Bewusstsein“. Für die Documenta haben sie einen Raum aus Altkleider-Ballen gebaut und zeigen darin eine Dokumentation über den Handel mit Altkleidern in Afrika. In dem Film sprechen sie darüber, dass afrikanische Länder Altkleider per Kilo in Europa kaufen und etwa 40% davon nur Müll sind, den die Afrikaner dann entsorgen müssen. Wir sollten daher hier nur wiederverwertbare Kleidung in die Container packen und den Müll selber entsorgen.

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