Als einziger aktiver Vulkan auf europäischem Festland thront der Vesuv über Neapel. Doch der letzte große Ausbruch verschüttete Herculaneum und Pompeji – und ist fast 2000 Jahre her. Heute bedient die Altstadt des wirtschaftlichen und kulturellen Zentrums Süditaliens viele Sehnsüchte. Durch enge, mit Wäscheleinen bestückte Gassen zieht sich – über ausgetretenes Kopfsteinpflaster schlendernd – der Strom der Leute.
Begleitet vom permanenten Geräuschpegel aus Reden, Rufen und Lachern, aus flatternder Wäsche und aufgeschreckten Tauben, aus Schritten und Musik aus oberen Stockwerken. Und dann und wann die schrillen Hupen sich Wege bahnender Motorroller.
Dabei am Rand sitzen und das Treiben bei einem Cappuccino an sich vorüberziehen lassen.
Die Abgase der Zweitakter mischen sich mit den Ausdünstungen toter Fische und der Säure frischen Obstes. Ergänzt vom Schweiß und Parfum der Schlendernden, dem Muff eingelagerter Bücher und der feuchten Schwere hochbetagter Häuser.
Dann ein zartes Aroma von Küchenkräutern: Rosmarin und Oregano, Basilikum und Minze. Oberhalb der Straße stehen Töpfchen und warten auf eine Wässerung.
Auf den Stufen der Kirche San Domenico Maggiore entspannen die Leute, plaudern und lauschen den Klängen einer Gitarre. Den Moment genießen, die Zeit vergessen. An Marktständen auf Plätzen und in Gassen werden die letzten Zutaten für das Abendessen ausgewählt. Oder es wird nur eine Kleinigkeit gegessen, da man später in – oder wahrscheinlicher: vor – einem Restaurant verabredet ist.
Es gibt einige Restaurants, die angesagt sind und vor denen sich am Abend lange Schlangen bilden. Das Warten scheint schon Teil des Events zu sein: es wird gescherzt und gestikuliert, Kontakt nach vorne und hinten aufgenommen und die Ereignisse des Tages ausgetauscht.
Wir reihen uns nicht ein, sondern essen die grandiose Napolitana Fantastico in der Pizzeria gegenüber.
Nach dem Essen leeren sich die Straßen. Um die Mülltonen sammelt sich der Abfall des Tages und vereinzelt bilden sich Grüppchen Jugendlicher zum gemeinsamen Abhängen. Ein einsamer Obststand präsentiert seine Frutta e Verdura bis spät am Abend.