Tschechien: West- und Südböhmen

Juli/August 2023
Nachdem wir 2020 und 21 den Norden und Osten Tschechiens erkundet haben, sind wir in diesem Jahr für zwei Wochen in West- und Südböhmen unterwegs.

Unsere letzte Tour hatten wir in Karlsbad beendet und wir starten jetzt in dem ebenso feudalen Marienbad – wenn uns auch Karlsbad etwas besser gefallen hat. In der Stadt Cheb treffen wir wieder auf den typisch tschechischen Marktplatz: sehr schöne Häuser im Stil von der Renaissance bis zum Barock umrunden eine große Fläche. Außer zum Abstellen von Autos wird dieser Platz aber kaum genutzt und man könnte sich hier so gut große Wochenmärkte und andere Veranstaltungen vorstellen. Und die imposant inszenierten Kirchen werden weiterhin unterhalten, obwohl nur eine Minderheit religiös ist.

In Pilsen wohnen wir im altehrwürdigen Hotel Continental. Etwas in die Jahre gekommen, aber voller Charme. In Pilsen gehört eine Besichtigung der Pilsener Brauerei und der Genuss eines Pilsener Urquells dazu. Wir erfahren die besonderen Brautechniken dieses Bieres und warum es weltweit zu einem Vorreiter wurde. Am Abend spielt das Kukal-Quartett Werke von Mozart und Dvořák im Park vor unserem Hotel. Pilsen ist eine lebendige Stadt, deren Besuch sich durchaus lohnt.

In Pilsen steht auch die zweitgrößte Synagoge Europas (nach Budapest). An anderen Stellen ist das Judentum nicht so leicht zu erkunden. In Dolní Lukavice stoßen wir auf einen versteckten jüdischen Friedhof aus dem 16. Jahrhundert. Dass das heute als Abstellraum genutzte Haus in Velhartice einst eine Synagoge war, erfahren wir aus einer Broschüre, die von einer Gruppe Oberschüler*innen erstellt wurde. Und den Schlüssel zum Tor des jüdischen Friedhofes in Budweis bekommen wir vom Pförtner der benachbarten Firma. Hier sehen wir viele Gräber mit deutscher Beschriftung.

Fast jedes Dorf in Böhmen verfügt über ein Schloss oder eine Burg. Das Schloss links oben der Familie Metternich in Kynzvart ist edel renoviert und dient als Museum und für Kulturveranstaltungen. Das darunter abgebildete Schloss in Dolní Lukavice ist dagegen sehr renovierungsbedürftig und nicht zugänglich. Wir können auch nicht ausmachen, ob es teilweise noch bewohnt ist. In der Burg von Klenová können wir die Räume der letzten Bewohnerin Vilma Vrbová-Kotrbová besichtigen. Von der Burg Kasperk sind nur noch die Ruinen zu sehen.

Der Ort Český Krumlov (dt. Krumau an der Moldau) ist zum Welterbe erklärt worden. Es ist der einzige Ort, an dem wir Touristen aus Asien sehen. Ansonsten ist die Bevölkerung und sind die Touristen doch alle weiße Mitteleuropäer*innen. Anderes Leben und die Ereignisse der Welt scheinen entschwunden. In Český Krumlov ist es angesagt, mit dem Boot auf der Moldau zu paddeln. Die Gassen des Ortes sind sehr romantisch und erinnern uns an Siena.

Und es gibt eine liebliche Natur in West- und Südböhmen. Die Weinbergschnecke erschleicht sich ihren Weg und Bäume überspannen Wege und Straßen. Der Blick auf die hügelige Landschaft zeigt große Getreidefelder zwischen den stehen gelassenen Restwäldern. In einem Fluss beobachten wir, wie eine Ente nervös mit den Flügeln schlägt, als sich ihr ein Nutria nähert.

Mit České Budějovice (dt. Budweis) sind wir in die zweite berühmte Bierbraustadt Böhmens gekommen. Hier fiel uns die viele Kunst im öffentlichen Raum auf. Und unter den Arkaden finden wir manche deutsche Texte, die immer wieder an die deutsche bzw. österreichische Vergangenheit dieser Region erinnern. Und natürlich die Reklame für das Budweiser Bier, das Budějovický Budvar. Am Abend haben wir aus unserem Hotelzimmer einen schönen Blick auf das illuminierte Rathaus und werden unterhalten von einer davor spielenden Jazzband.

Das Dorf Holašovice (Hollschowitz) wurde bereits in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts mit einem für Dörfer ungewöhnlich großen Marktplatz gegründet. Was das Dorf aber außerordentlich macht und ihm eine Weltkulturerbe-Auszeichnung einbrachte, sind die seit dem 18. Jahrhundert umgestalteten Bauernhäusern im Barockstil. Es ist wohl einzigartig, dass nicht Schlösser und Kirchen barock umgestaltet wurden, sondern die einfachen Häuser der Menschen.
 
Unter all den Burgen und Schlössern wählten wir das Schloss Hluboká (Schloss Frauenberg) zur Besichtigung. An der Stelle des Schlosses stand ursprünglich eine frühgotische Burg, die im 16. Jahrhundert zu einem Renaissanceschloss umgebaut wurde, um dann im 19. Jahrhundert im Auftrag des Schlossherren Fürst zu Schwarzenberg abgerissen und als malerisches Schloss im Tudorgotikstil neu gebaut zu werden. Ja, es hat etwas von Disneyland und vom Schloss an sich, wie wir es uns als Kinder vorstellen.
 
Mit Telč (Teltsch) erkunden wir einen weiteren UNESCO-Welterbe-Ort. Es heißt, die Stadt habe einen der schönsten Marktplätze Europas und sei ein Beispiel der italienischen Renaissance nördlich der Alpen. Doch, es ist ganz hübsch in dem Städtchen und sie diente vielen Filmen als Kulisse (u.a. Woyzeck von Werner Herzog mit Klaus Kinski). Uns ist hier besonders aufgefallen, dass es andere Touristen sind, die die Stadt besuchen. Es sind viele Familien mit Kindern hier und es ist nicht so spießig, wie in den anderen Orten. Zudem gibt es an mehreren Orten kleine Open-Air-Konzerte, die Leben in den Ort bringen.
 
Die liebliche Natur zieht sich weiter entlang unserer Tour. Ab und an sehen wir einen Apfelbaum am Wegesrand. Dass Kühe oder andere Tiere auf der Weide sind, ist eher selten zu beobachten. Es gibt fast überall große Getreidefelder – Gerste, Roggen und Weizen. Was uns in den Städten und Dörfern aufgefallen ist, dass wir nirgends auf einen Wochenmarkt gestoßen sind. Vielleicht ist die Landwirtschaft wirklich sehr einseitig?! Die Landschaft ist durchzogen mit Flüssen und Seen, auf denen die Menschen paddeln und rudern, die Angeln ins Wasser werfen oder wie hier am Rand sitzen und stricken.
 
Unsere Reise durch Tschechien beenden wir in Františkovy Lázně (Franzensbad) und schließen damit den Kreis. Franzensbad ist der dritte Kurort neben Karlsbad und Marienbad und es ist der älteste und kleinste. In Pavillons sprudelt das Heilwasser aus der Erde und wird dort – nach Verordnungen – schluckweise getrunken. Es fällt hier besonders ins Auge, dass die Kurhäuser und mondänen Hotels in große Parkanlagen eingebunden sind. Was aber ebenso offensichtlich ist, dass viele Hotels und andere Prachtbauten leer stehen und zunehmend verfallen. Es fehlen die Gäste und besonders diejenigen, die sich die edlen Hotels leisten wollen und können. 
 
Insgesamt haben wir uns wieder sehr wohlgefühlt in Tschechien, wenn die Gebiete West- und Südböhmens auch weniger abwechslungsreich sind als das übrige Böhmen (Čechy), als Mähren (Morava) und Schlesien (Slezsko).