April 2017
Westmeerstaudamm in Nampo
Am vorletzten Tag haben wir nochmals ein umfangreiches Besuchsprogramm. Eine Fahrt nach Nampo zum Westmeerstaudamm, das Wissenschaftszentrum in Pjöngjang und das dortige Militärmuseum. In Pjöngjang machen wir außerdem etwas Englischunterricht in einer Mittelschule und besuchen ein Kaufhaus.
Heute scheint die Sonne und wir haben am frühen Morgen einen klaren und tollen Blick über die Stadt. In der Nacht bzw. am frühen Morgen hörten wir, wie schon in den ersten Tagen, Lautsprecherdurchsagen, die irgendwo in der Stadt unter uns tönten. Es hörte sich nach Propaganda an – der sozialistische Muezzin, der seine Botschaften verkündet. Song San sagt uns später, dass dies die Ansagen vom Hauptbahnhof seien, die bis nach oben in unser Hotelzimmer zu hören sind. Für uns hörte es sich nicht nach Bahnhofsansagen an, aber wir belassen es dabei.
Nachdem wir im Norden, Süden und Osten von Pjöngjang waren, ging die Fahrt heute in westliche Richtung, zur Stadt Nampo. Die Dörfer, an denen wir unterwegs vorbei fahren, haben noch mehr städtischen Charakter als die, die wir gestern gesehen haben. Drei- bis vierstöckige Wohnhäuser in einheitlichen Farben. Sie wirken wie Siedlungen, bei denen man das Näherkommen einer größeren Stadt vermuten könnte. Hier stehen sie aber isoliert in der Landschaft. Es fehlt nicht nur das alte Dorf, es fehlt auch die angrenzende Stadt. Vielleicht sind es auch die Anfänge einer geplanten Stadt, die dann aber keine städtischen Ausmaße erreichte, da sich die Bevölkerung nicht im vermutenden Ausmaß erhöhte?
Als wir weiter nach Osten fahren, kommen wir schließlich doch an einer Ortschaft vorbei, die nach Dorf aussieht. Die Häuser sind einstöckig und haben von Ferne den Charakter der Häuser, die wir in der Altstadt von Kaesong gesehen haben. Obwohl diese Häuser älter wirken, waren sie wahrscheinlich neuer, denn der nach dem Koreakrieg notwendige Aufbau war abgeschlossen und es ist nicht mehr erforderlich, schnell Wohnraum für viele zu schaffen.
Um die Bäume und Büsche, die entlang der Autobahn stehen, ist fast immer ein Kreis aus weißen Steinen gelegt. Als wir Song San danach fragen, sagt er, dass es zur Schädlingsbekämpfung sei und außerdem eine Zierde. Ich kenne die weißen Ringe an Bäumen zur Schädlingsbekämpfung. Insekten werden so davon abgehalten, den Baum herauf zu laufen. Aber Steine, die zudem in einem Abstand von etwa zehn Zentimeter liegen? Und Zierde? Auf freiem Feld um unzählige Bäume und Sträucher – ist dies realistisch? Wenn man an die Idee des Kollektivs eines sozialistischen Staates denkt, ist es durchaus möglich, dass eben nicht der private Vorgarten geschmückt wird, sondern die Bereiche, die für alle da sind. So kann ich es dann auch sehen und mich am Gestaltungswillen erfreuen.
Nach einer Stunde Fahrt kündet die Häufigkeit von Bussen, die uns überholen, an, dass wir uns der Stadt näherten. In Nampo halten wir allerdings nicht an. Song San ist ein sehr netter Mensch, doch nicht besonders geschwätzig. Wenn wir ihn nach etwas fragen, gibt er stets Antworten. Es kommt aber selten vor, dass er von sich aus etwas zu dem erzählt, was wir beim Vorbeifahren sehen oder uns darauf vorbereitet, was wir an dem Tag sehen werden. So bleibt unser Ziel und das, was uns dort erwartet, meist eine Überraschung. Natürlich könnten wir fragen, aber vielleicht ist das auch ganz schön mit der Überraschung.
Als wir die Stadt durchfahren haben und weiter Richtung Gelbes Meer fahren, zeigen sich weite, überschwemmte Felder. Gelegentlich sitzen dort Angler auf kleinen Inseln. Ob die Überschwemmungen Ausläufer der Reisfelder sind, die sich wenig später links und rechts der Straße zeigen?
Unter dem Wasser kann man Abgrenzungen der Felder erkennen. Ursprünglich ist Reis keine Wasserpflanze, sie hat sich aber über die Jahrtausende – es gibt Funde, die Reisanbau in Korea bereits vor 3000 Jahren bekunden – durch Zucht an die Überflutung der Felder angepasst. Der Nassreisanbau ist sehr arbeitsintensiv, ermöglicht aber viel höhere Erträge als andere Anbauarten und wird daher heute zu 80% angewandt. Die Aussaat muss allerdings nach wie vor in ein relativ trockenes Feld erfolgen, da sie ansonsten nicht aufgehen würde. Die Setzlinge werden dann erst nach dem Keimen vom Pflanzfeld ins nasse Reisfeld umgesetzt. Um den Wasserzulauf zu regeln – es kommt auf die richtige Dosierung und den geregelten Ab- und Zufluss des Wassers an – sind zwischen den Feldern Gräben angelegt. Neben den Feldern sehen wir Dörfer, die wieder eine eher traditionelle Struktur aufweisen.
Wir erreichen unser heutiges Ausflugsziel an der Koreabucht im Gelben Meer: den Westmeerstaudamm. Mit diesem Staudamm hatte Nordkorea Anfang der 1980er Jahre den damals größten Staudamm der Welt errichtet. Die acht Kilometer lange Mauer trennt den Fluss Taedong vom West- bzw. Gelben Meer und hält das Salzwasser außen vor.
Das Projekt bietet ein Beispiel, wie das Militär in nationale Projekte eingebunden wird: Hier waren es drei Armeedivisionen, die Straßen- und Eisenbahnverbindungen über das mächtige Flussdelta und die drei Schleusen in Rekordzeit errichteten.
Auf einer Anhöhe oberhalb der Schleusen seht ein Museumsbau, gekrönt von einem Leuchtturm in Form eines Ankers. Im Museum wird uns in einem Film die Errichtung des Staudammes in ihrer ganzen Dramatik vorgeführt. Der Kampf mit den Fluten und die wegweisenden Worte Kim Il Sungs werden für uns mit deutschen Kommentaren hinterlegt. Ein maßstabsgetreues Modell zeigt die Schleuse von oben. Der zum Film gereichte Kaffee macht die Betrachtung zu einer angenehmen Pause.
Auf der Anhöhe haben wir einen tollen Rundblick über den Staudamm und die Schleuse. Die Sonne scheint angenehm warm und die Bäume zeigen hier oben ihre frühlingshaften Triebe. Es ist wieder solch ein Ort, an dem man das Schreckgespenst einer nordkoreanischen Atommacht, welche die Welt bedroht, vergisst. Ist das naiv oder ist es naiv, auf die westliche, amerikanische Propaganda zu hören?
Als wir vom Westmeerstaudamm wieder Richtung Nampo fahren, passieren wir einen Neubau. Da dieser kein Gerüst hat, sieht es zunächst so aus, als sei es eine Bauruine. Auf dem Dach erkenne ich dann aber Arbeiter. Der Kiosk vor dem Rohbau wirkt etwas deplatziert und surreal. Wird um einen bestehenden Kiosk neu gebaut oder steht der Kiosk hier zur Versorgung der am Bau beteiligten Menschen? Da die Fläche rund um den Kiosk aus Sand besteht, ist es wahrscheinlich, dass er Teil eines größeren Baugebietes ist.
Die Hafenstadt Nampo ist mit fast 500.000 Einwohner*innen nach Pjöngjang und Hamhung die drittgrößte Stadt Nordkoreas. Aus dem Bus sehen wir, dass die Stadt sehr belebt ist. Die Menschen scheinen hier entspannter zu sein als in der Hauptstadt. Radfahrer*innen suchen sich ihren Weg auf dem Fußweg und die Stadt schien in einem gemächlichen Flow voran zu schreiten.
Plötzlich sehe ich aus dem Augenwinkel einen Jugendlichen, der in Richtung unseres Busses guckt. Der junge Mann unterbricht die Dynamik der städtischen Bewegung. Er steht da und beobachtet, trägt ein schräg auf den Kopf sitzendes Cappy und verkörpert eine Jugend, die sonst nicht sichtbar ist. Für mich symbolisiert er eine mögliche Veränderung, die Selbstbewusstsein gegenüber der Staatsmacht aber auch gegenüber ausländischen Interessen zum Ausdruck bringt. Diese Stadt und ihre Bevölkerung schien wirklich interessant zu sein. Aber, wie zu erwarten, sieht unser Programm keine Besichtigung vor.
Ein Phänomen, das ich schon in Pjöngjang beobachtete, zeigt sich auch hier: viele Häuser sind in Farben gestrichen, die ich mit Lachs und Mint bezeichnen würde. An einer Hausfassade, an der wir vorbei fahren, wird die weiße Fassade gerade mit dem Lachston übermalt.
In einem Land mit wenig Ressourcen könnte man vermuten, dass es von diesen Farben eine Überproduktion gab und sie eben genutzt wurden, bis sie verbraucht sind. Die Farben werden aber so konsequent im ganzen Land angewandt, dass es ein farbliches Konzept geben muss. Ob dies seinen Ursprung im Volksgeschmack hat oder es die Lieblingsfarben der Führer sind, kann ich nicht sagen. Vielleicht ensteht in der Kombination von Mint und Lachs einfach ein gefälliger Kontrast, der auffällt, ohne aufdringlich zu sein. Für mich sind es jetzt auf jeden Fall die typischen Farben, wenn ich an Nordkorea denke.
Wir fahren also zurück nach Pjöngjang, ohne in Nampo auszusteigen. Der Vorteil ist, dass wir dann noch den Nachmittag in der Hauptstadt verbringen können.
Heute ist ein wirklich schöner Tag und der Blick über die Getreidefelder hat schon etwas sommerliches. Die roten Fahnen am Rand der Felder zeigen an, so erklärt uns Song San, dass die Brigade heute hier auf diesem Feld arbeitet.
Als wir so durch die Landschaft schunkeln, muss ich daran denken, wie schnell man sich an Situationen gewöhnen kann. Wir sind jetzt sieben Tage in einem Land, das als eins der am schwersten zugänglichen gilt. Und schon nach einer Woche ist es fast selbstverständlich, hier zu sein. Die händischen Ausbesserungsarbeiten auf der Autobahn, die mir am zweiten Tag so unverständlich waren, schienen mir jetzt erklärlich. Es ist wie eine Zusammenarbeit von Nachbarn, die die Straße vor ihrem Haus gemeinsam flicken.
Wissenschafts- und Technologiezentrum
In Pjöngjang besuchen wir das 2016 eröffnete Wissenschafts- und Technologiezentrum. Dieses Zentrum, das die Form eines Atoms hat, steht auf einer Insel im Fluss Taedong. Die anderen, umgebenden Gebäude nehmen Schwünge und Elemente des Haupthauses auf. Das Ambiente hat etwas von einer Filmkulisse aus einem Zukunftsfilm, der vor 60 Jahren gedreht wurde aber heute spielt.
In westlichen Medien wird Kim Jong Un für den Bau des Zentrums gerügt. Es heißt dort, dass es nur dazu diene, die Kim-Dynastie zu verherrlichen. Vielleicht sollten wir einfach anerkennen, dass hier etwas für die Bevölkerung gebaut wurde und solch ein Zentrum ist sicher besser, als Bomben zu bauen.
Das Zentrum dient neben Forschung und Entwicklung der Ausbildung. Es gibt hier Plätze für Fernstudien, Konferenzräume und regelmäßige Symposien und Ausstellungen. Weiter beinhaltet das Zentrum, dass auch als Sci-Tech Complex bezeichnet wird, ein Museum für die Entwicklungsgeschichte von Wissenschaft und Technik und einen Erlebnisbereich für Kinder. Es gibt mehrere Indoor-Hallen, etwa die Halle für Basiswissenschaft und die Halle der angewandten Technologie, einen Erfahrungsraum für Erdbeben und ein fiktives Labor.
Neben einem Modell des Wissenschaftszentrums steht im Zentrum das Modell einer Rakete. Natürlich denken wir bei Nordkorea sofort an einen militärischen Angriff und an den Transport von Atomwaffen. Das hier präsentierte Modell einer Rakete des Typs Unha 3 ist aber dafür bestimmt, Satelliten ins All zu befördern. Die Unha 3 wiegt im Original etwa 90 Tonnen und gehört damit zu den kleineren Raketen. Bei dieser Rakete wird nur schubschwaches Triebwerk eingesetzt, was die nordkoreanische Aussage untermauert, dass dieser Raketentyp nie als Interkontinentalrakete geplant war, da sie dafür nicht geeignet ist. Der Einsatzzweck einer Interkontinentalrakete wäre in erster Linie militärisch – etwa als ein Trägermittel für Kernwaffen. Damit will ich nicht behaupten, dass das ganze Wissenschaftszentrum für friedliche Zwecke bestimmt ist. Es zeigt aber, dass auch in Nordkorea nicht jede Rakete für eine militärische Nutzung konzipiert ist.
Insgesamt gibt es im Zentrum über 3000 Computerarbeitsplätze. Von denen sind zwar nur ein Teil besetzt, als wir die Räume besichtigen, wir können aber sehen, dass hier ganz unterschiedliche Altersgruppen arbeiten. Es ist eine wissenschaftliche Volkshochschule im besten Sinne des Wortes. Die Schüler*innen, Student*innen und anderen Nutzer*innen arbeiten sehr konzentriert und nehmen uns Gäste kaum wahr.
Wir schauen uns ein Modell an, das zeigt, wie Kohlendioxid in die Erde gepumpt wird, statt es in die Atmosphäre entweichen zu lassen. Dieses Verfahren wird aktuell weltweit erforscht. Im Zuge der Forschung zeigte sich, dass es notwendig ist, in der Erde Basaltgesteinvorkommen zu haben, da sich in diesem Gestein dass CO² mineralisiert und nur dadurch die Gefahr, dass es wieder entweicht, gebannt werden kann.
Wenn Nordkorea Basaltvorkommen hat und auf diesem Gebiet forscht, kann es für Industrienationen interessant sein, diese Technologie zu nutzen. Und Nordkorea die so wichtigen Devisen einbringen.
Nach dem Rundgang, der Diskussion an wissenschaftlichen Modellen und der Erprobung technischer Geräte verlassen wir das Wissenschafts- und Technologiezentrum. Auf dem Vorplatz schauen wir auf die zentrale Skulptur, die die Form der Spitze eines Füllfederhalters hat. Hiermit wird die Wissenschaft als wichtiger Baustein zur Entwicklung des Landes geehrt.
Bei der Weiterfahrt passieren wir weitere imposante Gebäudes. Das Sportstadion Erster Mai zählt zu den größten oder ist sogar das größte Stadion der Welt. Es soll 150.000 Besucher*innen fassen. Es ist über 60 Meter hoch, hat acht Stockwerke und auf dem sechsten Stockwerk befindet sich eine mehrere hundert Meter lange Laufbahn.
Ein anderes interessantes Gebäude ist die Eissporthalle. Auch sie ist über 60 Meter hoch, von der Grundfläche aber wesentlich kleiner als das Erste Mai Stadion und bietet nur 6000 Plätze auf vier Rängen. Neben Eishockeyspielen und Eiskunstlaufwettbewerben finden hier Tischtennis-, Volleyball- und Basketball-Turniere statt.
Ein weithin sichtbares Gebäude ist das Ryugyong Hotel. Das Gebäude befindet sich seit 1987 im Bau und sollte damals mit 300 Metern Höhe das höchste Hotel der Welt werden. Der Bau verzögert sich aber bis heute, da verschiedene Investoren und angedachte Betreiber absprangen. Als Rekord hält das Ryugyong Hotel, dass es das erste Bauwerk außerhalb New Yorks und Chicagos mit mehr als 100 Etagen ist. Für die Führung des Landes ist es scheinbar notwendig, Superlative zu schaffen. Hierbei ist unklar, ob dies eher für das Ansehen bei der eigenen Bevölkerung oder gegenüber dem Ausland wichtig ist.
Militärmuseum
Unser nächster Besichtigungsort ist das Militärmuseum von Pjöngjang. Auf einem riesigen Platz, auf dem neben uns nur wenige Zivilisten zu sehen sind, stehen Skulpturen, die an bestimmte Schlachten und revolutionäre Ereignisse erinnern. Die Militärs, die hier einzeln oder in kleineren Gruppen spazieren, scheinen höhere Ränge zu bekleiden.
Die zentrale Figur erinnert an den Koreakrieg von 1950 bis 1953. Der Krieg zwischen der Demokratischen Volksrepublik Korea (Nordkorea), unterstützt von China auf der einen und der Republik Korea (Südkorea), unterstützt von den Vereinten Nationen unter Führung der USA auf der anderen Seite. Die Grenze zwischen Nord- und Südkorea hatte sich im Verlauf des Krieges einmal ganz nach Süden und dann weit nach Norden verschoben, um nach drei Jahren Krieg, der fast völligen Zerstörung Nordkoreas und nahezu vier Millionen Toten wieder dort zu sein, wo sie ursprünglich war.
Auf dem Außengelände des Militärmuseums werden Teile abgeschossener Flugzeuge und ein gekaperter amerikanischer Hubschrauber präsentiert. Die Amerikaner hatten im Krieg eine Belohnung von 100.000 Dollar für denjenigen nordkoreanischen Piloten geboten, der zuerst mit einem Jagdflugzeug nach Südkorea fliehen würde, da sie an der Technik des Flugzeuges interessiert waren. Die Nordkoreaner zeigen hier, dass sie auch ohne die Zahlung von Belohnungen in den Besitz gegnerischer Militärausrüstung kamen.
Das Gelände des Militärmuseums liegt am Fluss Potong. Und hier liegt ein besonderer Fang vor Anker: das amerikanische Spionageschiff Pueblo. Es wurde 1968 von der nordkoreanischen Marine gekapert, zunächst nach Wonsan und später nach Pjöngjang gebracht. Das Schiff, offiziell als Umweltforschungsschiff deklariert, hatte die Aufgabe, sowjetische und nordkoreanische Aktivitäten in der Koreastraße zu erkunden. Bei der Kaperung wurde ein amerikanischer Soldat getötet und 82 Besatzungsmitglieder gefangen genommen.
Wir werden durch das Schiff geführt, können uns die Funkeinrichtungen, Gegenstände der damaligen Besatzung und Fotografien ansehen, die die Crew zeigen und die Geschichte illustrieren. Auf dem Bücherregal stehen Bücher wie The Missile Crisis, in dem Elie Abel die Kubakrise beschreibt oder ein Roman des schottischen Autors Alistar MacLean über den Kreuzer HMS Ulysses, dessen Fahrten und Schlachten im zweiten Weltkrieg.
Die gefangenen Besatzungsmitglieder wurden Ende 1968 in die Demilitarisierte Zone gebracht und über die Brücke ohne Wiederkehr nach Südkorea in die Freiheit entlassen. Dieser Schritt wurde erst dadurch möglich, dass sich die USA zur Spionage bekannte, sich für diese entschuldigte und gelobte, nie wieder in Nordkorea zu spionieren. Das von General Woodward unterzeichnete Entschuldigungsschreiben wird in der Pueblo präsentiert.
Das Schiff selber wird wohl in Nordkorea bleiben und ist damit das weltweit einzige Schiff der US-Marine, das sich in den Händen einer fremden Macht befindet.
Den Rundgang im Museum kann ich nicht illustrieren, das es untersagt ist, Fotos zu machen. Wir sehen einen Film über Gräueltaten und Erfolge des Krieges. Natürlich gingen die Gräueltaten vom Feind aus und die Erfolge sind die der eigenen Armee. Beim Rundgang durch das Museum werden wir an sehr realistischen, originalgetreuen Aufbauten von Kriegsszenen vorbei geführt. Auch hier unter dem klaren Freund-Feind Schema.
Neben uns sehen wir nur Gruppen von Soldaten, die durch das Museum geführt werden. Entweder hat die Zivilbevölkerung kein Interesse oder es ist ihnen nicht gestattet, dass Museum zu besuchen. Es ist aber wahrscheinlich, dass hier morgens auch Schulklassen durchgeführt werden. Die Gruppen der Soldaten sehen wir später außerhalb des Museums wieder, wo ich sie fotografieren kann. Auf den Autobahnen haben wir mehrfach gesehen, dass Menschen auf offenen Ladeflächen von Lkws transportiert werden. Neben den Gefahren, die dies birgt, ist es – besonders zur jetzigen Jahreszeit – bestimmt auch sehr kalt. Vor dem Museum sehen wir jetzt, dass auch die Soldaten auf den Ladeflächen der Trucks transportiert werden
Mittelschule
Der nächste Ort, den wir besuchen, ist eine Mittelschule. Auf dem Schulhof haben sich die Schüler*innen gerade – wahrscheinlich im Rahmen einer Sportveranstaltung – in Reihen und Blöcken aufgestellt. Oben auf der Treppe steht ein Lehrer, der über ein Mikrophon Anweisungen gibt. Mit den eben gesehenen Soldaten im Kopf kommt einem hier die Assoziation einer vormilitärischen Veranstaltung in den Sinn. Aber jede organisierte Sportveranstaltung hat ja etwas militärisches, schon dadurch, dass sie unter einem Kommando steht, Uniformen mit Abzeichen getragen werden und die Teilnehmer*innen einem Disziplinarsystem unterliegen.
Wir werden in eine 8. Klasse eingeladen und Ralf macht dort mit den Schüler*innen etwas Englischunterricht. Sie können die an sie gerichteten Fragen verstehen und einfache Antworten geben. Dabei sind die Schüler*innen sehr höflich, stehen auf, wenn sie antworten, trauen sich aber nicht wirklich, eigene Fragen zu stellen. Ob dies in der Unsicherheit, in einer fremden Sprache zu sprechen, begründet ist oder den Hemmungen uns Ausländer*innen gegenüber, können wir nicht feststellen.
Ein junges Mädchen, dass durch ihr sportliches Outfit auffällt, wird von Ralf gefragt, ob sie denn gerne Volleyball spielt. Wir haben gehört, dass Volleyball in Nordkorea populär ist. No, I dont like volleyball ist ihre Antwort. Und auf die nächste Frage, welche Sportart sie denn gerne spielt, sagt sie: I don’t like sport at all. Diese ehrliche Antwort beim Besuch der ausländischen Gruppe war interessant, da der Sport hier im Land doch besonders geschätzt wird
Die Lehrerinnen – es waren insgesamt drei anwesend – beobachten die Antworten ihrer Schützlinge mit sichtlichem Stolz. Hier in der Klasse fällt uns auf, dass nur einige der Schüler*innen die Uniform und das rote Halstuch der Kinderorganisation tragen. Insofern scheint dies keine Schuluniform zu sein, sondern ein Kennzeichen derjenigen, die Mitglieder der Organisation sind.
Auf den Fluren der Mittelschule hängen Fotografien oder reproduzierte Gemälde von Situationen der ehemaligen Führer Kim Il Sung und Kim Jong Il mit Kindern. Vor diesen Bildnissen sind immer eine oder zwei Blumen abgelegt. Ein anderes Bild zeigt den Schüler Kim Il Sung.
Zum Abschluss des Tages besuchen wir ein Kaufhaus. In Pjöngjang gibt es zwei Kaufhäuser mit den aussagekräftigen Titeln Kaufhaus 1 und Kaufhaus 2. In den Kaufhäusern kann man nur mit ausländischer Währung bezahlen und das Angebot ist übersichtlich und für uns nicht besonders interessant. Wir werden permanent von einer Verkäuferin begleitet und als ich ein Foto mache – von dem deutschen Produkt Bebivita Anfangsmilch – sagt die Verkäuferin, dass das Fotografieren verboten ist. Insofern verzichte ich darauf und es gibt keine weiteren Fotos. Es wäre aber auch nicht besonders interessant und wir verlassen das Kaufhaus bald wieder.
Es dämmert bereits, als wir das Kaufhaus verlassen und wir fahren durch die Stadt zu einem Restaurant, in dem wir zu Abend essen werden. Die Stadt ist für uns jetzt schon vertrauter und ich erkenne einige Gebäude. Das große Studienhaus des Volkes leuchtet von Ferne und wir passieren das Museum für koreanische Geschichte. Dieses beinhaltet etwa 4000 historische Exponate, darunter Gemälde, Kleidungsstücke und Waffen. Aber es ist eins der Orte, die wir bei unserem Besuch nicht besichtigen.
Das Essen ist mal wieder sehr gut. Wir haben gelernt, von den Vorspeisen nur so viel zu essen, dass wir beim Servieren der Hauptspeise noch nicht satt sind. An die großen Krebse hat sich aber keiner ran getraut. Wir sind wohl alle zu wenig Feinschmecker und wissen gar nicht, wie man sie essen soll. Insofern bleiben sie Deko.
In vielen Restaurants, in denen wir gegessen haben, gibt es einen kleinen Laden, in dem man Kleidung und Geschenke kaufen kann. Im Vorübergehen gucken wir mal in die Auslage, von uns kauft aber nie jemand etwas. Es sind in erster Linie billige Artikel für den Tourismus und für uns nicht interessant.
Unser Aufenthalt in Nordkorea ging zu Ende. Nach dem Essen fahren wir durch das abendliche Pjöngjang in Richtung Hotel, wo wir schon die Koffer packen.
Ralf, Maike, Song San und ich sitzen noch zusammen, um den Urlaub zu reflektieren. Durch die Reiseleitung von Song San bekamen wir einen persönlichen Bezug zu diesem uns vorher so fremden Land. Gerne würden wir ihm jetzt unser Land zeigen, aber dies war leider nicht möglich. Letztlich wird uns nicht deutlich, wie professionell die Haltung von Song San ist. Wahrscheinlich bekommt er zwei Tage später eine neue Gruppe und hat uns bald vergessen. Schließlich ist es sein Job, den er allerdings sehr gut macht.