Oktober 2020
Wir starten unsere Reise in der größten Stadt des Bundesstaates: Charlotte (benannt nach Charlotte von Mecklenburg-Strelitz (1744-1818), Gemahlin des britischen Königs Georg III). Im Zentrum haben wir den Eindruck, als sei die Stadt in den letzten dreißig Jahren gebaut: alles ist neu oder befindet sich noch im Bau (links). Für uns ist die Stadt etwas unpersönlich, aber es ist die mit dem größten Bevölkerungszuwachs der USA. Den Amerikanern scheint es zu gefallen bzw. gibt es viele Arbeitsplätze in der zweitgrößten (nach New York) Finanzmetropole der USA.
Wir sind doch eher vom 200 km westlich gelegenen Asheville begeistert. Eine Stadt mit viel alter Bausubstanz im Art-Deco-Stil (Mitte). Und eine Stadt, in der die Menschen viel zu Fuß unterwegs sind und die netten Läden, Cafes und Buchhandlungen besuchen. Alles hat einen mehr alternativen Charakter – so auch ein Projekt mit Urban Gardening (rechts).
Es ist für Oktober mit 37° Celsius ungewöhnlich heiß – in den Nachrichten wird von einem Hitzerekord gesprochen. Daher fahren wir von Asheville aus in die Berge. In den Wäldern entlang des Blue Ridge Parkways und in den Great Smoky Mountains sind die Temperaturen gut auszuhalten und wir geniessen die Ausblicke und kleinere Wanderungen. Hier sind wir auf dem höchsten Gipfel der Appalachen (2024 Meter).
In der weiter östlich gelegenen Stadt Winston-Salem schuf R.J. Reynolds ab 1875 ein Tabakimperium. Seine Firma kreierte viele Zigarettenmarken, darunter die, die nach der Stadt benannt wurden: Winston und Salem (bei uns bekannt als Reyno). Viele Marken kamen gar nicht nach Europa, aber natürlich die bekannteste: Camel und die Marken Kent, Pall Mall und Lucky Strike. Die Werke in Winston-Salem wurden 2010 geschlossen und zum Teil abgerissen. Verbliebene Gebäude wurden umgebaut und anders genutzt, doch die zwei großen Schornsteine prägen weiterhin das Stadtbild. Außerhalb der Stadt gibt es noch einige Tabakfelder. Wir kennen uns mit Tabakanbau nicht aus – aber ob die Blätter an der Pflanze vertrocknen müssen?
Neben Tabak sehen wir viele Felder mit Baumwolle und Sojabohnen. Die Baumwolle wird heute nicht mehr von Hand gepflückt, sondern mit großen Maschinen und sie wird – ähnlich dem Stroh und Heu bei uns – in große Ballen gepackt. Die USA sind nach Indien und China der weltweit drittgrößte Baumwollproduzent. Doch in North Carolina sorgen heute andere Bereiche für Arbeitsplätze: Finanzen, Technologie und Forschung. Und diese Arbeitsfelder sind eher in den großen Städten angesiedelt, sorgen dort für Zuwachs und einen Leerstand in den ländlichen Gegenden.
In den kleineren Ortschaften sehen wir viele verlassene Häuser. An einigen steht noch ein Schild: zu vermieten oder zu verkaufen. Doch es ist wahrscheinlich eine Frage der Zeit, wann diese Häuser beginnen, zu zerfallen. Auffallend ist, dass die Rasenflächen immer kurz gehalten werden. Dies ist wahrscheinlich für das Bild des Ortes wichtig. Besonders interessant ist für uns die Innenstadt von Rocky Mount, eine Stadt mit 50.000 Einwohner*innen – Tendenz fallend. Fast alle Häuser stehen hier leer und es bildet sich eine Geisterstadt. Es wirkt auf uns wie eine Filmkulisse und wir fragen uns, ob es wohl möglich sein kann, eine solche Altstadt zu reaktivieren.
Wir fahren weiter zur Atlantikküste von North Carolina, vor der eine sehr schmale, 280 Kilometer lange Inselkette liegt, die Outer Banks. Ebenso lang ist der breite, feinsandige Strand und ebenso lang sind die Reihen der dicht an dicht stehenden Holzhäuser mit Strandzugang. Obwohl es mit 26° noch sehr warm ist, ist jetzt im Oktober nicht mehr viel los und auch die Strandhäuser (Strandvillen!) scheinen nur wenig belegt.
Bevor wir nach South Carolina weiterfahren, besuchen wir Raleigh, die Hauptstadt von North Carolina. Natürlich gehört für uns der Besuch des Kapitols (links) dazu. Nun, wir haben schon schönere Statecapitols gesehen… Uns gefällt hingegen der neue Bahnhof (rechts). Er hat den Charakter zwischen einer Hotellobby und einem Flughafen. Compurtarbeitsplätze und Loungebereiche machen das Ganze zeitgeistig. Und es ist dringend notwendig, dass in den USA etwas zum Thema Verkehr passiert. Das Auto ist immer noch das absolut zentrale Verkehrsmittel. Selbst hier im neuen Bahnhof sehen wir für den ganzen Tag auf der Anzeigentafel nur fünf Züge.