Zunächst starten wir aus unserer letzten Unterkunft im Ait Bouguemez Tal. Am Morgen vertreibt die Sonne die tief sitzenden Wolken aus den Bergen. Wir fahren noch einige Zeit entlang des Tales und über Berge mit Dörfern aus Lehmbauten entlang der Hänge. Dabei fällt auf, dass die Häuser direkt aus dem Untergrund gebaut zu sein scheinen. Denn wo der Untergrund rötlich ist, sind es auch die Häuser und wo es mehr ins Ocker geht, zeigt es sich ebenso in den Bauten. Als wir aus dem Gebirge kommen, öffnet sich die weite Ebene, die bis nach Marrakesch führt.
Marrakesch ist zunächst auffallend bunt. Im Färberhof gibt es kleine Werkstätten, in denen Wolle und Tücher gefärbt und zum Trocknen aufgehangen werden. Auch manche Türen und Hausfassaden sind vielfarbig. Leder gibt es in allen erdenklichen Farbkombinationen und man kann sich direkt etwas anfertigen lassen. Überall gibt es kleine Werkstätten, in denen Leder und Holz, Metall und Ton verarbeitet wird. Ob dies so Tradition hat oder für die Tourist*innen gemacht wird, können wir nicht sagen. Vielleicht hat der Tourismus auch Traditionen wieder aufleben lassen.
Und es gibt viel Tourismus in Marrakesch. Denn ob man wie wir eher in den Städten unterwegs ist oder mehr in den Bergen, der Wüste oder am Meer, wahrscheinlich gehört diese Stadt immer zum Programm. Ein Hot-Spot ist der Platz Jemaa el-Fnaa im Zentrum von Marrakesch. An nummerierten Essständen werden die Gäste beköstigt und sie können sich auf dem Platz allerlei Darbietungen von der Tanz- und Trommelgruppe bis zum Schlangenbeschwörer ansehen. Wenn man dann zugeguckt hat oder ein Foto gemacht hat, kann es schon mal zu Ärger kommen, wenn man nichts bezahlen will. Da ist eine Rundfahrt mit der Kutsche entlang der Sehenswürdigkeiten doch entspannter.
Es existieren unterschiedliche Suqs (Märkte) in Marrakesch. Im Zentrum der Medina befinden sehr schöne Höfe und Passagen, die eher für den Tourismus ausgerichtet sind. Hier gibt es ein Überangebot an Waren und es wird nicht deutlich, welche hier hergestellt wurden und was Importware ist. Am Rand der Altstadt sind dann eher die Märkte für den alltäglichen Bedarf und sie werden nur von Marokkaner*innen besucht. Was alle Märkte und die gesamte Medina gemeinsam haben, ist das ewige Knattern, Hupen und Stinken der Mopeds. Diese erzeugen richtigen Stress, da sie sich vehement ihre Wege durch die Gassen bahnen.
In Marrakesch besuchen wir wieder Museen. Das Städtische Museum zeigt zwar nicht so spannende Objekte – Vasen, Schmuck und Waffen – aber es ist in einem prunkvollen Gebäude untergebracht, dem Palast Dar Mnebhi. Ein Beispiel marokkanischer Architektur für eine Elite zu Beginn des 20. Jhd. Die Medersa Ben Youssef zeigt die Architektur einer Koranschule aus dem 14. Jhd. Hier sehen wir im Vergleich ähnliche Stilelemente. Auch das Museum Yves Saint Laurent nimmt Elemente in moderner Form wieder auf. Yves Saint Laurent hatte seit 1966 einen Wohnsitz in Marrakesch. Im Photomuseum entdecken wir eine Fotografie von 1920, die die gleiche Wand der Medersa zeigt.
Es gibt Kehrseiten in Marokko, die wir im öffentlichen Raum wahrnehmen. Die Polizei ist sehr im Stadtbild präsent, oft begleitet vom Militär. Hier sind die Übergänge wahrscheinlich fließend zwischen Schutz und Kontrolle. Dann sind da die vielen arbeitslosen Männer, die den ganzen Tag in den Cafés sitzen. Das Tragen von Kopftücher von fast allen Frauen über 30 und dazu oft das Tragen einer traditionellen Kleidung symbolisiert die zunehmende Vormachtstellung eines strengen Islams. Dann gibt es immer wieder Ecken, die vermüllt sind und wir fragen uns, warum das dort einfach hingeschmissen wird und sich niemand verantwortlich fühlt, aufzuräumen. Und Armut ist sichtbar: arme, bettelnde Menschen und schlechte, provisorische Behausungen.