Griechenland: Athen

März/April 2023

Im Zentrum der Stadt thront der wohl bekannteste Gebäudekomplex, die Akropolis. Sie ist von überall zu sehen und wir bekommen von den umliegenden Hügeln je nach Blickwinkel und Tageszeit unterschiedliche Eindrücke. Auch darüber hinaus ist die Stadt mit reichlich Antikem gefüllt und immer wieder treffen wir auf marmorne Säulen, alte Theater und andere Ausgrabungen.

Im Jahr 2009 eröffnete das neue Akropolis-Museum. Es zeigt ausschließlich Objekte und Fundstücke von der Akropolis. Diese waren zuvor im alten Museum ausgestellt bzw. lagerten aus Platzmangel im Archiv. Viele Exponate der Akropolis werden allerdings seit 1816 im Britisch Museum in London ausgestellt und Griechenland fordert bisher vergebens die Rückgabe. Das antike Grabungsfeld, über dass das Museum gebaut wurde, bleibt dank einer Säulenkonstruktion sichtbar und zugänglich.

Die heutigen Wohnhäuser Athens sind überwiegend modern. Sie wurden wohl vor 60 bis 80 Jahren gebaut und drängeln sich mit ihren Balkonen dicht an dicht entlang der Straßen. Dazwischen stehen immer mal wieder etwas ältere und jetzt meist gut renovierte Bauten aus der Bauhaus-Zeit. Und dann Gebäude aus dem vorletzten Jahrhundert, denen es allerdings nicht so gut ergangen ist. Sie wurden nicht gepflegt, stehen wahrscheinlich schon lange leer und sind am verfallen. Schade. Die Straßen werden mehrheitlich von Bäumen mit Bitterorangen gesäumt, die gleichzeitig blühen und Früchte tragen.

Entlang der Häuser laufen häufig Arkaden, unter denen Restaurants und kleine Geschäfte angesiedelt sind. Es ergibt sich eine Mischung aus öffentlichem, kommerziell genutztem und privatem Raum und macht die Stadt heimelig. Die Geschäfte und Restaurants sind hier oft individuell gestaltet und schaffen damit ein besonders Flair.
 

Am Unabhängigkeitstag zur Feier des Sieges der Griechen über das Osmanische Reich scheint ganz Athen auf der Straße zu sein. Jagdbomber durchschneiden die Luft und die Menschen stehen am Straßenrand und winken vorbeirollenden Panzern zu. Das letzte Mal, als wir so etwas erlebten, waren wir in Nordkorea. Bei der in Deutschland derzeit vorhandenen Begeisterung für die Erhöhung der Militärausgaben ist es vielleicht auch bei uns nur eine Frage der Zeit, bis wir den Panzern zujubeln…

Da gefällt uns doch Exarchia besser, das, wie es bei Google Maps heißt, Viertel der Gegenkultur. Merkwürdig nur, dass an einigen Ecken Trupps von hoch ausgerüsteten Polizisten stehen. Als ob hier permanent mit dem Ausbruch der Anarchie zu rechen ist. Die Menschen sind doch eher entspannt in den Cafés oder den vielen Buchläden, die es in Exarchia gibt. Wir sehen auch immer mal wieder kleinere Druckereien und genießen den Nachmittag bei Cake me Baby.

Doch, es gibt ihn auch, den etwas breiter angelegten Tourismus. Und wer mag, kann sich mit Amphoren, Wandtellern und griechischen Flaggen eindecken. Die Dichte der Menschen nimmt manchmal Formen an, wie es aus Lissabon bekannt ist. Es hat wahrscheinlich damit zu tun, dass wir Menschen gerne Teil von etwas sind. Und wenn die vorbeischiebenden Massen dabei ihre Hintern in die Souvlaki-Teller drücken, ist es auch eine Art von Teilhabe. Auf dem Monastiraki Platz steht mit einer ehemaligen Moschee ein letztes Zeugnis islamischer Kultur.

Ruhe und Entspannung gibt es in den zahlreichen orthodoxen Kirchen. Besonders die kleineren sind interessant, da sie nicht so übermäßig durchrenoviert sind und die alten Fresken einen gewissen Charme haben. Aber auch in den großen Häusern ist nicht viel los, und wenn der Pope seine Litanei spricht, hören nur wenige zu. Der Glaube findet im Vorübergehen statt: es wird eine Kerze gekauft, entzündet und nach der Bekreuzigung und dem Kuss auf das Heiligenbild geht’s wieder raus. Die Mitarbeiter*innen der Kirche löschen dann die kaum gebrannten Kerzen und schmeißen sie in den Müll, damit Platz für neue ist. Irgendwie muss das Ganze ja finanziert werden.

Wir besuchten das Museum für zeitgenössische Kunst, das EMST. Das Gebäude ist eine ehemalige Brauerei und bietet großzügig Platz für verschiedene Ausstellungen in fünf mit Rolltreppen verbundenen Etagen. In der ständigen Sammlung gibt es eine Arbeit von Vlassis Caniaris, die die Arbeitsemigration von Griechen in Deutschland in den 1960 und 70er Jahren thematisiert. Dahinter hat er eine deutsche Flagge gehängt, die durch Stoffe in eine griechische umgewandelt wird. Hier zeigt sich, wie sehr dies ein Thema in der griechischen Gesellschaft war.

Wir sehen kaum Fahrräder in Athen und erklären es dadurch, dass die Stadt doch ziemlich hügelig ist. Athen wird nicht nur von Bergen umgeben, auch innerhalb des Stadtgebietes geht es rauf und runter. Für Fußgänger*innen wird dies immer mal wieder durch Treppen ausgeglichen, die zu einer erhöhten Ebene rauf oder von dieser runter führen. Wenn wir uns quer zu einer Erhebung bewegen, kann es sein, dass es permanent rauf und runter geht und das ist ganz schön anstrengend…

Die Stadt Athen ist relativ klein und wird ähnlich wie Paris erst durch die angrenzenden Städte größer. So wurde in der Gemeinde Kallithea das SNFCC (Stavros Niarchos Foundation Cultural Center) gebaut und beherbergt neben der Nationaloper die Nationalbibliothek und den größten Park Athens. Der von Renzo Piano entworfene Bau hat mehrere Preise erhalten, wir fragen uns aber, ob er seinem Anspruch, ein Kulturzentrum für alle Menschen zu sein, gerecht werden kann. Von der für alle zugänglichen Dachterrasse haben wir einen weiten Blick auf das Häusermeer, die umliegenden Berge und Athens Hafenstadt Piräus.

Für Piräus brauchten wir zwei Anläufe. Bei unserer ersten Fahrt dorthin verdunkelte sich der Himmel, die Wolken zogen sich dramatisch zusammen und schluckten nicht nur das Sonnenlicht, sondern auch alle Farben. Es fing an zu regnen und hörte nicht mehr auf. Also fuhren wir zwei Tage später nochmals in die Hafenstadt von Athen und hatten schönes Wetter. Wir schlenderten durch die Gassen, Kaffeesierten am Jachthafen und sahen uns die mächtigen Fähren in Europas größtem Passagierhafen an, die von hier zu den griechischen Inseln und anderen Orten im Mittelmeer aufbrechen. Sehnsuchtsorte.

Ja, es gibt noch das Griechenland der Sehnsüchte und Paradiese für Aussteiger. Zumindest die Vorstellung davon. Aber wie es in der Wandbeschriftung heißt, ist es keine tragfähige Veränderung, wenn man nur dazu tanzen kann. Heute sind doch andere Themen relevant. Und gerade Griechenland leidet ja sehr unter den europäischen Zwängen und den Anforderungen mit den auf den Inseln strandenden Migrant*innen. 

Vom Philopapposhügel in Athen haben wir nochmals einen Blick über die weiße Stadt bis nach Piräus und den Saronischen Golf. Hier und auf dem Areopagus Hügel versammeln sich am Abend hauptsächlich junge Leute, um dem Sonnenuntergang beizuwohnen. Es herrscht eine ruhige, fast meditative Stimmung und das gemeinsam Erlebte schafft eine unausgesprochene Verbundenheit.

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