Von Roosevelt Island aus haben wir einen besonderen Blick auf Manhattan und auf das am East River liegende Hauptquartier der Vereinten Nationen. Die UN erhielt 1945 ihren Sitz in New York, nachdem ihre Charta von der Mehrheit der 51 Gründungsstaaten ratifiziert wurde. Heute hat die UN 193 Mitgliedsstaaten und es sind damit quasi alle Länder der Erde vertreten. Eines ihrer Hauptziele ist die Wahrung des Weltfriedens. Nach der UN-Charta liegt die Wiederherstellung des Friedens in der Verantwortung des Sicherheitsrates. Dieser hat fünf ständige Mitglieder, darunter Russland.
Da die ständigen Mitglieder ein Vetorecht im Sicherheitsrat haben und Entscheidungen damit verhindert werden können, werden Resolutionen in der Vollversammlung verabschiedet, in der es kein Vetorecht gibt. In der Resolution zum Krieg in der Ukraine verurteilte eine Dreiviertelmehrheit den Einmarsch von Russland und forderte den sofortigen, bedingungslosen und vollständigen Rückzug. Gegen die Resolution stimmten mit Russland nur vier weitere Staaten. Ein Novum.
Die Fahnen aller Mitgliedsstaaten vor dem Gebäude symbolisieren die Vereinigung der Weltgemeinschaft. Beim betreten der Empfangshalle treffen wir auf eine Gruppe Schüler*innen, die erschöpft ist von Führungen und Vorträgen. Es gibt viel zu erfahren über Kriege und Menschenrechtsverletzungen und dies ist nicht leicht zu verdauen. In der Ahnenreihe der ehemaligen Generalsekretäre fehlt Ban Ki-moon, der als damaliger Generalsekretär auf einer gesonderten Staffelei präsentiert wurde. Aktuell wird dort das Bildnis von António Guterres stehen. An der Riege der Männer wird überdeutlich, dass es als nächstes eine Frau sein muss.
Die Säle in der UNO wirken eigentümlich antiquiert – wie eine Science-Fiction Szenerie der 1950er Jahre.
Im Saal der Generalversammlung treffen sich jeden September bis zu fünf Vertreter*innen aller Staaten zur jährlichen Vollversammlung. Daneben gibt es seltene Dringlichkeitssitzungen – es waren erst zehn seit der ersten im Jahr 1956. Die elfte fand nun vom 28.2. bis 2.3.2022 anlässlich des Einmarsches von Russland in die Ukraine statt.
Neben dem Saal der Generalversammlung sehen wir die Säle des Menschrechtsrates, des Wirtschafts- und Sozialrates und des Sicherheitsrates.
Eine Gruppe fotografiert sich vor den Millennium-Entwicklungszielen der UNO, die bis 2015 realisiert werden sollten. Sie reichen von der Bekämpfung von extremer Armut und Hunger bis zum Aufbau einer globalen Partnerschaft für Entwicklung. Es fragt sich, ob es notwendige Hoffnung oder Selbstbetrug ist, wenn sich die Weltorganisation eine Zeitvorgabe setzt, von der sie sicher schon bei der Verabschiedung weiß, dass diese nicht eingehalten werden kann.
Auf unseren Reisen kommen wir immer mal wieder in Berührung mit der UNO. Im Grenzgebiet zwischen Nord- und Südkorea sehen wir das Camp Bonifas, ein Militärposten der Vereinten Nationen in der entmilitarisierten Zone.
Im Westjordanland besuchen wir das Camp Dheisheh in Bethlehem, ein seit 1949 bestehendes Lager des UN-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge.
In Georgien blicken wir in die Region des südlichen Kaukasus, in der die Republiken Südossetien und Abchasien den Krieg gegen Georgien mit Unterstützung russischer Truppen gewannen und sich vom Ursprungsland lossagten. Die von der UN eingerichtete Beobachtermission musste 2009 beendet werden – aufgrund des russischen Vetos im Sicherheitsrat. Seitdem wird von der EU beobachtet, dass Grenzmarkierungen durch Truppen, die der Russischen Föderation zugerechnet werden, mehr und mehr verschoben werden und sich damit die treu zu Russland stehenden Gebiete vergrößern.
In der Lobby der Vereinten Nationen hängen Bilder wie Titanen von Lumen Martin Winter. Metaphysischer Symbolismus, der Hoffnung verklärt. Sollte dies die Hoffnung der UN sein, wird sie wohl auf den Jüngsten Tag warten, bis die Welt sich ändert. Wir erwarten andere Bilder und andere Aktivitäten von der UNO. Aktivitäten, die zu Veränderungen im Hier und Jetzt führen.