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Reisebericht Nordkorea | 1

April 2017

Ankunft in Pjöngjang

Nach fast dreistündigem Warten auf dem Capital Airport von Peking startet unsere Air Koryo Maschine Richtung Nordkorea. In Pjöngjang begrüßt uns unser Reiseleiter und begleitet uns ins Hotel Yanggakdo. Dort werden wir scheinbar genau beobachtet.

Wie die meisten Gäste starten auch wir unseren Flug Richtung Nordkorea vom Capital Airport in Peking. Da wir ohnehin einige Tage in Chinas Metropole verbringen wollten, war es für uns die beste Route. Air Koryo steht auf dem Flugzeug, das wir durch die Scheibe sehen. In der Abfertigung warten neben Ralf und mir hauptsächlich Asiaten – wahrscheinlich Koreaner und Chinesen.

Nun reisen wir also wirklich in dieses abgeschottete Land. War es Abenteuerlust, der Reiz des Außergewöhnlichen, Neugier? Sicher sind dies immer Gründe, ein neues Land zu entdecken. Wir waren in den vergangenen Jahren in China, Japan und Südkorea – haben Nordkorea praktisch umrundet, um nun ins Zentrum zu rücken. Aber es war eben doch ganz anders. Es gab die Vorbehalte gegenüber dem Regime, Ängste, Repressalien ausgesetzt zu werden und das mentale Training, immer freundlich zu bleiben. Als Gast in einem anderen Land sollte man dies immer sein, aber hier stand der Wille dahinter, einem Überwachungsstaat keine Gelegenheit zu bieten, misstrauisch zu werden. Diese Haltung schafft Unsicherheit und die ist sicher auch gewollt.

Der Start des Flugzeuges verspätet sich, da das Flugfeld des Pekinger Flughafens total überlastet ist. Wie warten fast drei Stunden, bis es endlich in die Luft geht. Der Flug verläuft dann reibungslos.

Wie in allen Flugzeugen besteht auch das Personal dieser staatlichen nordkoreanischen Fluggesellschaft aus meist weiblichen, freundlichen und gut aussehenden Stewardessen. Ungewöhnlich ist die Bordverpflegung: während Passagieren in Europa auf einem kurzen Flug ein Müsliriegel gereicht wird, ist es hier nicht etwa ein Schälchen koreanisches Kimchi, sondern ein Hamburger. Was ist das für eine Aussage? Wir können nicht nur Bomben bauen, wie die Amerikaner, wir können auch so essen wie sie?!

Landung in Pjöngjang

Nach der Landung in Pjöngjang sind die Einreiseformalitäten schnell erledigt. Wir werden gefragt, ob wir eine Kamera, einen Laptop oder Bücher dabei haben. Mein E-Book interessiert keinen und das Löschen vieler Bücher im Vorfeld wäre nicht nötig gewesen. Auch die anderen technischen Geräte werden durchgewunken – kein Blick in den Laptop. Ralf muss allerdings einen Reiseführer abgeben: Nordkorea – Geschichte, Kultur, Sehenswürdigkeiten von Arno Maierbrugger. Dieser wird als kritisch eingestuft und die Mitnahme nicht geduldet. Erst später erfahren wir, dass wir ihn bei der Ausreise hätten wieder bekommen können.

In der Wartehalle werden wir von Song San in Empfang genommen. Mit ihm warten unsere zweite  Reisebegleiterin Ye Jin und Christian, ein Lehrer aus Nürnberg. Christian war schon einen Tag zuvor mit dem Zug gekommen – die andere Möglichkeit, von China aus einzureisen.
Song San fragt uns, wie unsere Reise gewesen und ob alles gut verlaufen ist. Es erstaunt uns, wie gut er Deutsch spricht und wir glauben, dass er einige Jahre in Deutschland gelebt hat, beziehungsweise dort aufgewachsen ist, da er überhaupt keinen Akzent hat. 

Nein, er hatte Nordkorea noch nie verlassen und Deutsch nur über das Studium, das Lesen von Büchern und Gucken von deutsch synchronisierten Filmen gelernt. Ich hätte nicht gedacht, dass das in dieser Perfektion möglich ist.
Maike kommt mit der nächsten Maschine, auf die wir warten, da sich eine zwischenzeitliche Rückfahrt in die Stadt nicht lohnt. Sie ist eine Softwareentwicklerin aus Berlin und komplettiert unsere kleine Gruppe.

Es ist bereits 21.30 Uhr, als wir nach Pjöngjang reinfahren und inzwischen dunkel. Die Dunkelheit verstärkt den Eindruck, in ein Land zu fahren, das so anders und unbekannt ist. Vorsichtig mache ich einige Fotos. Noch weiß ich nicht, dass es für Song San und Ye Jin oder für die Nordkoreaner überhaupt kein Problem ist, wenn Besucher*innen fotografieren.

Der Hauptbahnhof ist beleuchtet und es zeigen sich hier für uns erstmals die Portraits der Führer Kim Il Sung und Kim Jong Il, die wir in den nächsten Tagen so oft sehen werden. Kim Il Sung, Staatsgründer und Ewiger Präsident Nordkoreas, war der Großvater des heutigen Obersten Führers und Marschalls Kim Jong Un. Der Vater, Kim Jong Il, bekam posthum die Titel des Ewigen Generalsekretärs und des Ewigen Vorsitzenden. Eine derartige Familiendynastie an der Spitze eines Staates ist – außerhalb von Monarchien – einzigartig.

Quartier im Yanggakdo Hotel

Wie die Mehrzahl ausländischer Gäste werden auch wir im Hotel Yanggakdo International einquartiert. Auf einer Flussinsel gelegen, eignet es sich wahrscheinlich gut, Besucher*innen zu separieren. Die Zimmer sind einfach, aber gut.

In diesem Hotel wurde auch der US-amerikanische Tourist Otto Warmbier festgenommen. Ihm war zur Last gelegt worden, ein Propagandabanner gestohlen zu haben und er wurde zu 15 Jahren Haft verurteilt. Warmbier wurde kurz nach unserem Nordkoreaaufenthalt frühzeitig aus der Haft entlassen, da er im Koma lag. Er starb wenig später in seiner Heimat. Der Fall erregte weltweit Aufsehen und beeinflusste auch meine gerade entwickelte Haltung, die aus der gemachten Anschauung ein gewisses Verständnis für die Strukturen Nordkoreas enthielt.

Ich blicke aus unserem Fenster im 43. Stock. Vor mir liegt Pjöngjang, nur wenige Häuser sind beleuchtet. Nach rechts blickend sehe ich über dem Fluss ein hell erleuchtetes Gebiet. Dies muss der Kim-Il-Sung-Platz sein, städtebauliches und symbolisches Zentrum der Stadt. Werden hier die Gebäude illuminiert oder gibt es eine Veranstaltung? Auf der gegenüberliegenden Seite leuchtet die rote Fackel auf dem Turm der Chuch’e-Ideologie. Dazwischen schwarz und breit der Fluss.

Wir fahren mit dem Fahrstuhl nochmal ins Foyer. Beim Einchecken haben wir kaum etwas gesehen und wir wollen uns umgucken, wo wir sind.
Die Halle ist jetzt weitgehend leer. Es gibt zwei kleinere Läden, die Andenken und Bücher für die Gäste verkaufen. Die Bücher von und über die Kim-Dynastie gibt es in mehreren Sprachen.

Als wir weiter schlendern und Richtung Hotelausgang kommen, steht plötzlich Song San neben uns. Wie es uns gehe und ob wir etwas suchen würden. Nein, wir gucken uns nur um und werden auch bald schlafen gehen. Er schlendert mit zurück zum Fahrstuhl und wünscht uns eine gute Nacht.
War es Zufall, dass unsere Reiseleitung vor uns stand, als wir uns dem Ausgang näherten, oder werden wir tatsächlich derart genau beobachtet und überwacht? Wir sind uns nicht sicher, wie es einzuordnen ist.

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