Venedig: Dasein

Es gibt Tage, an denen sie nicht rausgeht, an denen sie niemanden sieht. Noch nicht einmal sich selbst, da sie ihre Haare nicht macht, der Blick in den Spiegel entbehrlich ist.
Sie sitzt dann lange auf dem Stuhl und legt die Hände in den Schoß. Hände, die einst viel erlebten und nun weiß und wächsern von blauen Adern durchwebt sind.

Es riecht alt. Auf den Kunstblumen sammelt sich Staub, auf dem Schrank und auf dem Bilderrahmen des Druckes von Rafaels Katharina.
Das lichte Blumenmuster der Tapete hat sich eingetrübt, ist abgenutzt entlang der Fußleisten und um die beiden Lichtschalter.

Das Zimmer ist hoch und wächst immer höher über sie hinaus, über ihre kleine Gestalt, die sich im Schrumpfen beugt.
Beim Erheben schaut sie aus dem Fenster. Erst weiter entfernt, dann nähert sie sich der Scheibe und erstaunt. Das Glas beschlägt durch ihren warmen Atem. Sie ist noch da.

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