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Tschechien: Mähren

Juli 2021

Auf unserer Reise in den Süden Tschechiens besuchen wir zunächst die futuristischen Stadt Zlin.

In Zlin realisierte der Schuhfabrikant Tomas Bata seine Utopie einer modernen Stadt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts engagierte Bata namhafte Architekten und schuf mit ihnen die weltweit erste futuristische Stadt. Le Corbusier kam, sah und war begeistert. Im Bata-Hochhaus, in dem heute das Finanzamt residiert, wurde in einer Etage die ursprüngliche Holzvertäfelung belassen –  mit einer Statue von Tomas Bata am Ende des Flurs.

Mit der Fabrikfertigung revolutionierte Bata die Schuhherstellung und stieg bald zum Weltmarktführer auf. Die benötigten Arbeiter*innen ließen die Bevölkerungszahl von 5.000 auf 45.000 ansteigen. Es entstanden Wohnsiedlungen, die der Idee eines zeitgemäßen Wohnens und dem Prinzip Bata entsprachen. Kleine Wohnhäuser in Gartenstadtsiedlungen und öffentliche Gebäude, Schulen und Krankenhäuser. Rechts die Villa des damaligen Krankenhausdirektors.

Nach Zlin wird es wieder romantischer bzw. barocker. Wir besuchen das Schloss Buchlowitz und sehen, wie sich der Adel so einrichtete. Graf Johann Dietrich von Peterswald schenkte seiner adeligen italienischen Ehefrau 1702 das Schloss im Villa Rustica-Stil. Wie es im Reiseführer heißt: ein fantastisches und einzigartiges Beispiel für den barocken italienischen Baustil in Mitteleuropa.

Noch fantastischer finden wir das Schloss Eisgrub (tschechisch: Státní zámek Lednice). Fürst Alois II. von Lichtenstein beschloss im 19. Jahrhundert, dass sich das Schloss besser als jenes in Wien zur Sommerresidenz sowie für Feste und Bälle des europäischen Adels eignen würde und ließ es prunkvoll im Stil der englischen Neugotik umbauen. Ja, wenn es sich denn besser eignet…

Die anmutige Landschaft Mährens ist geprägt von kleineren Erhebungen bis hin zum Mittelgebirge. Bestens geeignet für Wanderungen und Radtouren. Wir sehen immer wieder Gruppen mit Rädern, müssen aber feststellen, dass es kein gutes Radwegenetz gibt. Radfahrer*innen müssen sich oft an die Seiten der Autostraßen quetschen. Auf den Feldern wird Wein angebaut und immer wieder Getreide. Daneben einige große Sonnenblumenfeder und Felder, die mit Solaranlagen bestückt sind.

Auf unserer Tour fragen wir uns immer wieder, wo denn die Menschen sind. Dann kommen wir nach Brünn/Brno und sehen: hier sind sie. Nach Prag die zweitgrößte Stadt Tschechiens und fast so angesagt wie die Hauptstadt. Die Cafés, Restaurant und Märkte sind gut besucht, durch die Fußgängerzonen flanieren Einheimische und Touristen. Am Abend gibt es an verschiedenen Orten Open-Air-Konzerte – Jazz zum Pilsener.

In Brünn treffen wir wieder auf den Futurismus. Nachdem die Stadt einst als Vorstadt Wiens galt, bekam sie nach der Gründung der Tschechoslowakei 1918 eine wichtige Bedeutung und löste einen Bauboom aus. Die damals angesagte Architektur des Bauhauses prägte die Stadt ähnlich wie Tel Aviv. Mehrfamilienhäuser, Villen, Einkaufspassagen und Bürohäuser – immer wieder zeigt sich das Neue Bauen der 1920er Jahre. Dies neben der älteren Architektur voriger Jahrhunderte, die das Zentrum von Brünn prägt.

Und die Villa Tugendhat. Die Industriellenfamilie Löw-Bär schenkte ihrer Tochter Greta zur Hochzeit mit Fritz Tugendhat ein großes Hanggrundstück und dazu den Bau einer Villa – der Preis spiele keine Rolle. Greta und Fritz engagierten keinen Geringeren als Ludwig Mies van der Rohe und ließen sich 1929 eine Villa bauen, die heute als ein Schlüsselwerk der Architektur der Moderne gilt und ins Welterbe aufgenommen wurde. Obwohl es seit 1995 ein Museum ist mit täglich acht 90-minütigen Führungen, muss man einige Monate im Voraus Karten bestellen, wenn man die Villa von innen besichtigen möchte. Ein wohl einzigartiges touristisches und kulturelles Highlight.
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